Wie geht`s weiter? Wo früher mühevolle Kleinstarbeit nötig war, lassen sich heutzutage viele Consulting-Prozesse computergestützt optimieren.
Consulting 4.0 – Digitalisierung braucht Experten-Netzwerke
Diesmal im Interview: Digitalisierungsspezialist Dr. Gerhard Nowak der ifp consulting München. Der angesehene Experte erzählt über die neuen Herausforderungen in der Consulting-Branche und warum ein Netzwerk aus mehreren Experten ausschlaggebend für eine erfolgreiche Digitalisierung ist. Außerdem gibt Herr Nowak wertvolle Tipps zur Auswahl der richtigen Unternehmensberatung.
Herr Nowak, Schlagworte wie Big Data, Internet of Things und Operative Exzellenz sind in aller Munde – auch in der Consulting-Branche. Man spricht in diesem Zusammenhang oft von Consulting 4.0, in Anlehnung an Industrie 4.0. Die Digitalisierung hat also nicht nur in den Unternehmen Einzug gehalten, sondern revolutioniert auch die Beratungsbranche selbst.
Inwiefern?
Richtig, der digitale Wandel trifft natürlich auch die Consulting-Branche. Dabei sind jedoch zwei Aspekte auseinanderzuhalten.
Zum Einen muss die Beratungsbranche den eigenen Service digitalisieren. Wo früher mühevolle Kleinstarbeit nötig war, lassen sich heutzutage viele Consulting-Prozesse computergestützt optimieren. Davon profitiert natürlich nicht nur der Beratungsservice selbst, sondern auch der Kunde. Denn mit Hilfe von Big Data und Tools lassen sich entscheidende Schlüsse schneller ziehen und besser umsetzen.
Die zweite Basis vom sogenannten Consulting 4.0 sind die Beratungsthemen an sich: der eigene Beratungsprozess muss sich strukturell verändern und auf die digitalisierten Geschäftsmodelle ausrichten. Dafür braucht es umfassende, lösungsfokussierte, innovative und vor allem individuelle Consulting-Ansätze, die 3 wesentliche Schritte in sich vereinen:
Einmal die Digitalisierungsstrategie: Wo möchte das Unternehmen hin? Was ist möglich? Welche Strategie eignet sich für die definierten Ziele am besten?
Erst wenn die Strategie steht, können weitere Maßnahmen getroffen werden. Dann geht es darum, spezifische Funktionen in den einzelnen Bereichen (Administration, Produktion etc.) zu etablieren, die zur Optimierung dienen.
Ist das geschafft, gilt es Use Cases zu erarbeiten, mögliche Anwendungsbezüge, die genau auf das Unternehmen und seine Mitarbeiter zugeschnitten sind.
Allerdings gibt es eine wichtige Voraussetzung, um dieses ganzheitliche Konzept abzudecken. Ein Netzwerk aus Experten und Spezialisten für die verschiedensten Bereiche und Anforderungen, welche die richtigen Schlüsse ziehen und effektive Maßnahmen aus der Analyse ableiten können.
Vielleicht könnten wir das noch etwas genauer fassen:
Wo genau liegen jetzt die Unterschiede zur klassischen Unternehmensberatung?
Wie eben schon gesagt, sind ganz andere Consulting-Themen gefragt als früher. Die digitale Transformation umfasst eine große Bandbreite an Themen, wie etwa Industrie 4.0 oder Smart Factory, E-Business, Big Data oder den Einsatz von Augmented Reality. Aber auch die Entwicklung in Richtung New Work erfordert neue Denkweisen sowie Expertise in agilen Arbeitsmethoden und Change Management. Gerade weil das Spektrum an Themen so groß ist, braucht es hier ein übergreifendes Netzwerk aus Experten unterschiedlichster Fachrichtungen.
Häufig ist im Zusammenhang mit Consulting 4.0 zu lesen, dass das klassische Herrschaftswissen der Beratungsbranche in Gefahr sei. Hintergrund ist, das Unternehmen über das Internet Zugriff auf eine unendliche Fülle an Informationen haben.
Sie können sich selbst Informationen beschaffen, auf die früher nur die Berater spezialisiert waren. Wurden bei Fachfragen früher noch externe Berater beauftragt, so sind die Antworten heute über Wikis und Web 2.0 deutlich einfacher zu finden. Hinzu komme, dass Berater mit ihren analytischen Kompetenzen zunehmend in Konkurrenz mit Künstlicher Intelligenz (KI) treten.
Wie sehen Sie das? Liegt da wirklich ein direktes Konkurrenzverhältnis vor, wie es oft suggeriert wird?
Oder anders gefragt: In welchen Bereichen sind spezialisierte Berater trotz KI unersetzlich?
Sicher, in der IT passiert viel und es gibt zahlreiche Beratungsansätze. Das ersetzt aber noch lange keinen qualifizierten Consultant. Es braucht immer einen Spezialisten, der aus der Daten-Analyse die richtigen Schlüsse zieht und branchenspezifische Zusammenhänge erkennt.
Kein Unternehmen ist gleich. Bei der Digitalisierung von Geschäftsmodellen und Unternehmen sind daher individuelle Lösungen notwendig – sowohl was die Strategie als auch die Software betrifft. Heute ist die KI noch längst nicht soweit, individuelle Konzepte zu erarbeiten. Im Grunde dreht sich ja vieles um Change Management Aufgaben, eine Kernkompetenz im Consultings 4.0.
Das klingt im Ganzen nach vielen Herausforderungen für die Unternehmensberatung. Sie haben es ja schon deutlich gemacht, dass ein Experten-Netzwerk wichtig ist.
Wieso spielt die Vernetzung von externen und internen Experten im Consulting 4.0 denn so eine große Rolle?
Weil fundiertes Spezialwissen in Sachen Digital Transformation, Operativer Exzellenz und Internet of Things immer wichtiger wird. Um Unternehmen verschiedener Größen einen erfolgreichen, umfassenden Beratungsservice bieten zu können, der die 3 Ebenen Strategie, Funktionsoptimierung und Use Case abdeckt, ist ein dichtes Netzwerk aus Experten erforderlich, die auf die verschiedenen Fachgebiete spezialisiert sind.
Welche Vorteile hat eine gute Vernetzung im Consulting letztendlich für das Unternehmen?
Ein Beratungsunternehmen oder ein Berater mit einem guten Netzwerk ist Gold wert. Der Kunde muss sich nicht mühsam alle einzelnen Spezialisten zusammensuchen, sondern erhält alles zentral aus einer Hand. So können Unternehmen sicher sein, dass auch wirklich alle wichtigen Aspekte bei der Beratung berücksichtigt werden.
Noch viel wichtiger ist jedoch, dass ein Unternehmen mit Hilfe von Consulting 4.0 die Veränderungen erlebt und einlebt. Das Change Management, das ein hochwertiges Consulting bietet, ist dabei ausschlaggebend für den Digitalisierungserfolg.
Wie schätzen Sie die Situation in Deutschland ein? Sind deutsche Unternehmen schon im Digitalen Zeitalter angekommen?
Sicherlich lassen sich Anstrengungen erkennen, sich auf die Digitale Transformation vorzubereiten. In Deutschland steht die Unternehmenslandschaft allerdings noch am Anfang der Digitalisierung. Es gibt also noch viel Optimierungspotential, das Unternehmen unbedingt ausschöpfen sollten.
Die größte Schwierigkeit sehe ich hier im Fehlen einer umfassenden Digitalisierungsstrategie. Häufig wissen Unternehmen, dass sie sich digitalisieren müssen, um im Wettbewerb Schritt zu halten. Und geraten dann in Hektik: das heißt, sie digitalisieren ins Blaue hinein, ohne eine grundlegende oder sichere Strategie. Das kann nicht funktionieren.
Worauf sollten Unternehmen, die in die Digitalisierung starten möchten, bei der Auswahl der geeigneten Beratung achten?
Woran lässt sich ein qualifizierter und seriöser Consultant Ihrer Meinung nach erkennen?
Das geht schon beim Auftritt des entsprechenden Beratungsunternehmens los. Bei übertriebenen Versprechungen und Ratio-Effekten sollten die Alarmglocken schrillen.
Insbesondere bei den Referenzen lohnt sich ein prüfender Blick: Sind aussagekräftige Use Cases angegeben, die nicht nur eine effektive Einführung von Digitalisierungsmaßnahmen aufzeigen, sondern auch deren positive Wirkung belegen? Ich spreche hier von richtigen Referenz Cases, nicht von Pilotprojekten.
Außerdem ist darauf zu achten, ob das Consulting ganzheitliche Kompetenzen aufweist, um die 3 genannten Ebenen komplett zu erfüllen. Ist dieses Kriterium gegeben, ist ein erfolgreicher Start in die digitale Zukunft so gut wie sicher.
Über Dr. Gerhard Nowak
Dr. Gerhard Nowak ist führender Praktiker auf den Gebieten Business Strategy, Change Management, Operational Excellence und Business Process Improvement.
Seine Schwerpunkte liegen in der Fertigungs-, Elektronik- und Automobilindustrie, wo er umfassende Expertise in den Bereichen Operative Exzellenz, Production Footprint und Supply Chain Management vorzuweisen hat.